Partizipation in der Stadtplanung: Die Sicht einer Großstadt

In der jüngeren Vergangenheit ist das Prinzip der Bürgerbeteiligung an stadtplanerischen Projekten immer populärer geworden. Man verfolgt diese Art der Beteiligung, um den Bürgern ein Mitsprache- und Vetorecht bei entscheidenden Bauprojekten einzuräumen. Damit will man erreichen, dass Planungsprojekte nachhaltiger und bürgernäher geplant werden. Außerdem verspricht man sich davon eine Minimierung von Konfliktpotenzial. Es wird von einer Win-Win-Situation gesprochen, in denen Behörden von Bürgermeinungen und  Beteiligung oder Engagement profitieren und die Bürger ihre Stadt mitgestalten sowie planen können. Im Folgenden wird kurz beschrieben, wie sich das Prinzip der Partizipation entwickelt hat. Dargestellt anhand von Beispielen und aus Sicht einer Großstadt.

Autoren:

Michael Emmerling und Maximilian Steinborn

Ich bin eine Großstadt mitten im Herzen von Deutschland. Meine Entwicklung hat sich in der letzten Zeit grundlegend geändert. Immer war ich schon ein sich stetig veränderndes Gebilde. Diese Veränderung begann in den 1950er Jahren, in denen noch viele Wohnblöcke aus dem Boden gestampft wurden, um den vielen Menschen, die sich mehr und mehr in den Städten niederließen, Platz zu schaffen. Somit wurden immer mehr Anforderungen an mich gestellt. Ich musste mich immer vielfältiger zeigen. Diese schwere Aufgabe wurde von Planern übernommen, welche sich genau mit meiner Beschaffenheit auskannten, um mich so in ein geordnetes System zu bringen. Damals orientierten sich die Städtebauer an funktionalen Theorien. Oft wurden die Grunddaseinsfunktionen der Menschen (Arbeit, Wohnen, sich versorgen, usw.) getrennt.Sie mussten im Laufe der städtischen Entwicklung immer mehr und auch immer kompliziertere Aufgaben übernehmen. Doch eines Tages kam meine Planungselite auf eine bahnbrechende Idee: Warum machen immer wir die Arbeit? Was ist mit den Betroffenen? Die kennen sich doch am besten aus mit dem was sie wollen, brauchen und was die Stadt lebenswerter macht, oder nicht? Und so wurden Bürger zu Rate gezogen, um an mir mitzuwirken. So sollte eine höhere Akzeptanz erzielt werden mit den Entscheidungen. Auch sollten die Bewohner sich eher mit ihrem Umfeld und mir identifizieren.Dabei geht es nicht nur um konkrete Bauvorhaben, sondern auch um Themen der Ver- und Entsorgung, um Verkehr oder auch um Wohlfahrts und Betreuungsprojekte für Bürger.

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Natürlich war ich etwas misstrauisch am Anfang: Das sind doch Laien, die haben doch kein Wissen darüber wie man mit mir umgeht, nicht die Weitsicht die man benötigt, um so ein komplexes, vielschichtiges Phänomen sinnvoll zu ordnen. Doch es entwickelten sich immer bessere und erfolgreichere Planungsverfahren. Jetzt gab es nicht mehr die Top-Down Planungen wie sie jahrelang Standard waren, sie geraten immer mehr in den Hintergrund. Jetzt wird an kleinen Projekten direkt am Problem gefeilt. Und meist wird auch versucht Projekte in der kleinstmöglichen Instanz anzugehen (downscaling).Meine Planer und meine Bürger gehen Hand-in-Hand. Nein. So einfach ist es eigentlich nicht. Zuerst muss einmal beschlossen werden, was an mir verändert oder erweitert werden soll. Dazu müssen die Planer lange Zeit beobachten und analysieren was gut für mich ist. Dann müssen Entscheidungen durch viele Ebenen durchgeplant, entwickelt, beschlossen, wieder entwickelt, gewählt, finanziert, verbessert und manchmal auch revidiert oder verworfen werden. Erst nach einem langwierigen Verfahren kommen meine eigentlichen Hauptbewohner in das Spiel. Nachdem alles sorgsam durchdacht und geplant wurde, wird ihnen meist in meinem Rathaus der fertige Entwurf vorgelegt, um ihn sich anzusehen. Ab nun besteht für sie die Möglichkeit Einspruch gegen die Planung- und das Bauvorhaben zu erheben. Bis hierhin ist das jedenfalls der Weg, wie er offiziell ablaufen sollte. Leider läuft es nicht immer nach diesem Schema ab. Vor allem wenn es zu dem Schritt der Bürgerbeteiligung kommt werden oftmals Mittel und Wege außen vor gelassen. Dadurch bekommen meine Bewohner oft nicht mit, dass sie mitentscheiden können und dürfen. Immer wenn solche Entscheidungen anstehen, wird es deswegen in der Presse veröffentlicht oder in öffentlichen Aushängen bekannt gegeben.  Deshalb gibt es mittlerweile auch ein offizielles Handbuch (siehe Abb. 2 Handbuch zur Partizipation) zur richtigen Partizipation von der Senatsverwaltung zur Stadtentwicklung und Umwelt von meiner großen Schwester in Berlin. In diesem Buch mit 188 Seiten sind auch viele praktische Vorgehensmethoden enthalten. Vom Brettspiel über die Themenwerkstatt, bis zum Onlinedialog. Vor allem der Onlinekatalog hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Früher wurde versucht über das Telefon oder Aufrufen im TV zu neuen Beteiligungsmöglichkeiten zu schaffen. Durch die neuen Medien können die Baupläne leichter und sparsamer meinen Bewohnern zugänglich gemacht werden. Meine Bürger können sich somit alles von zu Hause aus betrachten und müssen nicht erst in das Rathaus. Von Vorteil ist auch, dass sie direkt online im Internet noch ihre Meinung dazu äußern können. Somit entsteht ein langer Dialog, in dem die Bürger untereinander zur Diskussion kommen. Außerdem treten sie auf dem Onlineweg sogar direkt in Kontakt mit den Planern. Erstmals wurde diese Methode bei meinem Cousin Bonn angewendet und fand auf der Stelle regen Zuspruch. Deshalb gab es 2004 einen Eintrag in das Baugesetzbuch §4a Abs. 4, der vorsieht, „dassStädte und Gemeinden formale Öffentlichkeitsbeteiligung durch elektronische Informationstechnologie optimieren können“ (Märker 2008: 85). Jedoch auch abseits der Onlinepartizipation wird bewerkstelligt, dass Bürger und Instanzen in direkt Kontakt treten. Die Möglichkeiten und Formen der Beteiligung variiert jedoch je nach Anlass und Gegenstand der Stadtplanung. Ein gutes Beispiel dazu, ist das bei meinem Onkel in Brandenburg. Dort hat man sich überlegt, wie man eine Stadt wieder attraktiver für junge Menschen machen kann und welche Gebäude man dazu wie umgestalten könnte. Denn die Menschen wurden immer Älter und drohen in einiger Zeit auszusterben. Dazu trafen sich die Bürger der Stadt und überlegten gemeinsam mit Planern und Personen aus der örtlichen Politik. (Buchcover: http://www. stadtentwicklung.berlin.de/soziale_stadt/partizipation/pix/handbuch_partizipation_500.jpg)

Hiermit wurde ein sofortiger Austausch von Ideen vorgenommen. Durch die Partizipation hat man es geschafft, alte und leerstehende Häuser abzureißen oder umzubauen, um Platz vor allem für Kindergärten zu schaffen. Durch diese moderne Art der Partizipation schafft man eine besondere Atmosphäre zwischen den handelnden Akteuren und umgeht den langen Schritt der Präsentation von vorher von Fachkräften ausgearbeiteten Plänen. Durch diese frühe Planung erfolgte auch eine schnelle Umsetzung. Es mussten nicht erst Änderungen vorgenommen werden, da sich niemand beschwerte und auch niemand Proteste einlegte. Dies zeigt sich als weitere erfolgreiche Partizipation, die sich auch als nachhaltig herausgestellt hat, dass man sogar nach fünf Jahren den erwünschten Bevölkerungszuwachs erreicht hat. Anders war es bei meinem Groß Onkel in Köln. Hier überlegten sich seine erstklassigen Planer mal dem jungen studentischen Nachwuchs eine Chance zu geben, sich auch mal in die Stadtplanung einzubringen. So wurde Ideen gesammelt der schöne Deutzer Hafen um transformiert mit Hilfe von Studenten der Architektur, die sich dann in ihren Kursen mit der Thematik beschäftigten. Auch dies ist eine Art der Partizipation. Auch bei mir selbst steht demnächst eine Veränderung an. Im Osten meiner Stadt wird demnächst ein großes altes Fabrikgebäude abgerissen. Deshalb steht aktuell die Diskussion an, was mit dem Platz passieren soll. Die Meinungen gehen hier auseinander. Nicht selten komme eine Partizipation auch durch Protestbewegungen von Bürgern zustande, die am Anfang noch eher informell organisiert sind. Während die einen lieber eine Freifläche, auch mit der Möglichkeit zur Zwischennutzung möchten, gibt es eine andere Gruppe, welche eher für ein neues Vereinsheim für meinen Fußballverein ist. Weitere Lösungsansätze sind die Errichtung einer Freizeithalle, ein Bolzplatz, ein Einkaufszentrum, und, und, und. Die Vorschläge sind so bunt und vielfältig wie die Teilnehmer selber. Dazu werden jetzt erst einmal die Pläne ausgelegt (sowohl Online, als auch im Rathaus), die bereits von den Planern erstellt wurden. Ab sofort setzt man darauf, dass möglichst demokratisch abgestimmt wird und stellt deshalb online eine Liste zur Verfügung, damit jeder für seine Lösung zu stimmen. Ich bin schon mal gespannt, wie ich verschönert werden soll.

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Übersicht zu Formen und Verfahren kommunikativer Planung  (Quelle: Uni Hannover, Juni 2004)

Anhand dieser Beispiele und deren Struktur kann man erkennen, dass sich die Partizipation auch in Zukunft noch weiterentwickeln wird. Sie wird immer bedeutender und ist zumindest in der Theorie schon fast eine Voraussetzung für ein erfolgreiches Zusammenspiel zwischen den Bürgern einer Stadt und den zuständigen Baubehörden. In der Praxis gibt es jedoch noch eine Vielzahl an Schwierigkeiten und Hürden. Schwierig wird es auch oft, wenn große, finanzstarke Investoren hinter den Bauvorhaben stehen. Diese wollen nicht selten die Entscheidungsgewalt behalten und ihre Interessen durchsetzen. Problematisch ist auch wenn eine Beteiligung von der einen Seite angeboten wird, aber diese letztendlich wenig Einfluss oder Entscheidungsmacht auf das Projekt haben.

Quellen:

Märker, O.; Wehner, J.(2008): E-Partizipation. In: Standort – Zeitschrift für Angewandte Geographie, September 2008, Heft 32, S.84-89. Springer Wissenschaftsverlag, Berlin

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung; Das Magazin zu den Pilotprojektender Nationalen Stadtentwicklungspolitik; Juni 2013, Sonderausgabe:

http://www.nationale-stadtentwicklungspolitik.de/cln_030/nn_251568/Content/ Publikationen/NSP/stadtpilot__spezial__4,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/stadtpilot_spezial_4.pdf

Entnommen am 05.11.2013

Deutsches Institut für Urbanistik; Difu-Berichte 1/2012: http://www.difu.de/publikationen/difu-berichte-12012/stadtentwicklung-als-buergerschaftliche-aufgabe.html

Entnommen am 05.11.2013

Goethe-Institut e. V.; Internet-Redaktion, 2011: http://www.goethe.de/kue/arc/zds/de8345742.htm.

Entnommen am 05.11.2013

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin; Handbuch zur Partizipation: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/soziale_stadt/partizipation/download/Handbuch_Partizipation.pdf

Entnommen am 05.11.2013

Categories: Methoden, Reflexionen

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